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Europagespräch: Wie viel gemeinsames Europa bleibt übrig?

Für Thüringen ist die Agrarpolitik von zentraler Bedeutung: Rund 50 Prozent der Landesfläche werden landwirtschaftlich genutzt und weit über die Landesgrenzen hinaus vermarktet. Die Entscheidungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) betreffen daher weit mehr als nur die Lebensmittelproduktion. Sie sind eng mit Fragen der Ernährungssicherheit, des ländlichen Raumes und der sozialen Stabilität verbunden.

Der aktuelle Reformentwurf der EU-Kommission wirft jedoch viele Fragen auf. Vor allem ist unklar, wie viel Bürokratieabbau tatsächlich bei den Betrieben ankommt. Wirtschaftliche, ökologische und soziale Aspekte müssen gleichrangig berücksichtigt werden. Gesprächspartner aus Parlament, Mitgliedstaaten und Verbänden bringen dabei höchst unterschiedliche Perspektiven ein – gerade deshalb ist eine verlässliche Struktur entscheidend.

Zum Europagespräch am Montagabend diskutierten Marion Walsmann (Mitglied der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament), Thomas Lettau (Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Landwirtschaft und Ländlichen Raum) sowie Gunnar Jungmichel (Vorsitzender Fachausschuss Agrarpolitik des Thüringer Bauernverbandes) die neuen Vorschläge der EU-Kommission zur Agrarpolitik ab 2028.

Zentrale Kritikpunkte am Vorschlag

Die Kommission will die bisherige Struktur grundlegend ändern: Statt der bewährten Zwei-Fonds-Lösung soll künftig ein einziger Fonds bestehen. Das zwingt die Mitgliedstaaten, nationale und regionale Pläne zu erarbeiten und verschiebt die Verantwortung für Bürokratie dorthin. Die geplanten Kürzungen sind massiv: Rund 20 Prozent weniger Budget im Vergleich zur aktuellen Förderperiode, obwohl die Anforderungen gleichzeitig steigen. Zudem sollen Degression und Kappung eingeführt werden. Letztere trifft insbesondere ostdeutsche Betriebe hart: Ab 100.000 Euro Förderung greift die Grenze unabhängig von Fläche oder Beschäftigtenzahl.

Positiv hervorzuheben ist das geplante Starterpaket für Junglandwirte. Doch insgesamt droht eine Zersplitterung der Politik. Mehr Flexibilität für Mitgliedstaaten kann gleichzeitig mehr Unsicherheit für die Betriebe bedeuten.

Bedeutung für Thüringen

Allein in Thüringen stehen derzeit rund 200 Millionen Euro aus dem ELER-Fonds zur Verfügung. Diese Mittel sind keine Subvention, sondern Investitionen in die Ernährungssicherheit, so Walsmann. Sie stabilisieren die Landwirtschaft als Fundament für Versorgung und ländliche Entwicklung.

Das Thüringer KULAP-Programm gilt bundesweit als eines der besten Förderinstrumente. Doch Kofinanzierung, Umsetzbarkeit und Bürokratieabbau stellen große Herausforderungen dar. Die Forderungen an die Betriebe steigen – gleichzeitig brauchen sie moderne Infrastruktur. „Heute brauchen wir 5G an jeder Milchkanne“, betont Jungmichel als zugespitzte Forderung. Ohne starke und stabile Betriebe würde nicht nur die Nahrungsmittelproduktion, sondern auch das Dorfleben, Vereine und Arbeitsplätze wegbrechen.

Politische Dimension

Die Haushaltsvorschläge der Kommission sind derzeit unverbindlich. Inflation und zusätzliche Belastungen – etwa durch den Krieg in der Ukraine oder den Klimawandel – sind darin nicht berücksichtigt. Ernährungssicherheit gehört jedoch zur kritischen Infrastruktur.

Kritik gibt es auch an der geplanten Umdefinition von Förderbegriffen: EFRE, ESF und ELER sollen im Monofonds zusammengeführt werden. Das Budget würde zwar der GAP zugerechnet, käme dem ländlichen Raum aber kaum zugute. Hier fehlt ein klar abgegrenzter Rahmen. Auch die Frage nach den Hoheiten – Bund oder Länder – bleibt offen.

Ausblick

Walsmann diskutierte bereits mit den ostdeutschen Bauernpräsidenten, ein Treffen der Ost-Agrarminister sowie ein Austausch mit dem EU-Kommissar sind geplant. Ziel ist es, den GAP-Vorschlag zu verbessern und eine klare, verlässliche Perspektive für die Landwirtschaft und den ländlichen Raum zu schaffen.

Die Forderung ist eindeutig: Die EU braucht eine starke gemeinsame Agrarpolitik – keine Ein-Fonds-Lösung, keine willkürliche Budgetkürzung, sondern Klarheit, Verlässlichkeit und die Abbildung der europäischen Strukturvielfalt. Nur so kann die Landwirtschaft ihre Rolle als Motor des ländlichen Raumes erfüllen.

 

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